„Kann man das aus Baumwolle nähen?“

… Wichtige Fasern zur Kleidungsherstellung erklärt!

Sehr oft habe ich schon gehört wie Stoffe mit Begriffen wie “Baumwolle” oder “Jersey” bezeichnet wurden. An beiden Begriffen ist auch meist nichts falsch zur Beschreibung des Stoffes, jedoch bezeichnet beides den Stoff nicht vollständig. Wenn man einen Jerseystoff kauft, kann dieser aus Baumwolle sein, aber auch aus Viskose, Leinen, Wolle, Polyester, anderen Fasern und Fasermischungen bestehen. Wenn man einen Baumwollstoff kauft, kann man einen Jersey, Sweat oder andere gestrickte Stoffe oder unterschiedliche Webstoffe wie z.B. Popeline, Batist, Jeans, … usw. bekommen.

Ihr seht also, dass zu einem Stoff nicht nur das Material – also die Faserart, sondern auch die Herstellungsart des Stoffes gehören und erst die Kombination aus beidem die Eigenschaften des Stoffes bestimmen. Heute möchte ich euch die wichtigsten Fasern und ihre Eigenschaften erläutern.

Bilder von links nach rechts: Baumwollfeld, Flachspflanze, Seidenraupen-Kokon, Schaf (Bilder pixabay)

Beginnen wir also nun zunächst einmal bei den verschiedenen Fasern. Man kann grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Fasern unterscheiden – Natur- und Chemiefasern.

Unter Naturfasern verstehen wir alle Fasern, die von Pflanzen und Tieren stammen. Einige Pflanzenfasern sind: Baumwolle, Leinen, Hanf, Jute, Ramie, Sisal, und viele weitere, nicht so sehr genutzte. Tierische Fasern sind Seide oder Wolle von verschiedensten Tieren, allen voran vom Schaf. Weitere genutzte Tierfasern sind zum Beispiel Alpaka, Lama, Angora oder Kaschmir. Im weitesten Sinne tragen sogar wir Menschen tierische Fasern auf dem Kopf, die sich aber nicht so richtig zur Garnherstellung eignen.

Die Garnherstellung ist ein wichtiger Begriff, denn alle Fasern sind in ihrer Länge, Dicke, Bruchfestigkeit, Biegsamkeit und anderen Eigenschaften unterschiedlich und lassen sich somit gut oder weniger gut zu Garnen verarbeiten. Und erst aus Garnen können dann im weiteren Prozess die Stoffe hergestellt werden.

Um aus Naturfasern garne herstellen zu können, werden diese miteinander verdreht “versponnen”. Dies wurde früher per Hand mit einer Spindel oder einem Spinnrad gemacht.

Heutzutage gibt es dafür natürlich große Industriemaschinen, die feinere Garne in gleichbleibender Dicke und Qualität herstellen können.

Auch bei Chemiefasern gibt es verschiedene Arten. Hier gibt es solche, die aus natürlichen Polymeren hergestellt werden, wie z.B. Viskose, Modal, Lyocell, Cupro, Acetat (Die allesamt aus Zellulose hergestellt werden, also aus Holzfasern). Auch aus anderen natürlichen Stoffen können über chemische Verfahren Fasern erzeugt werden, wie z.B. Milch. Dann gibt es natürlich noch allerlei Chemiefasern aus synthetischen Polymeren, wie Elasthan, Polyacryl, Polyamid oder Polyester. Weitere Fasern findet ihr auch in dieser Liste auf Wikipedia.

Jetzt fragt ihr euch sicher, wie entsteht aus einem Baum ein dünner, geschmeidiger Stoff? Zunächst einmal werden die Fasern durch Zugabe verschiedener Chemikalien in eine sogenannte Spinnmasse verwandelt (Ich bin definitiv kein Profi in Chemie, wen die chemischen Formeln hierzu interessieren, kann dies im Wikipedia-Eintrag zur Viskosefaser alles nachlesen). Für andere natürliche Polymere gibt es auch noch andere Verfahren, um eine Spinnmasse zu erhalten. Diese Spinnmasse wird dann durch feine Düsenöffnungen gepresst und aufgewickelt – es entsteht sozusagen ein wirklich endloser Faden.

Beispiele einiger Webstoffe von links nach rechts: Baumwoll-Popeline, Leinen-Gewebe, Viskose-Webware, Polyester-Webware

Nun habt ihr schon einen kleinen Überblick in die Welt der verschiedenen Fasern erhalten, nun möchte ich euch ein paar Fasern und ihr Eigenschaften noch näher vorstellen.

Baumwolle

  • Pflanzenfaser aus den Kapseln der Baumwollpflanze
  • Hauptproduktion: China, Indien, USA
  • geringe Elastizität, stark knitternd
  • feine und weiche Fasern
  • Ökologischer Aspekt: sehr hoher Wasserverbrauch bei der Herstellung und im Anbau, weite Transportwege, Pestizide und Monokulturen, biologisch abbaubar, am besten auf Bio-Baumwolle zurückgreifen

Leinen

  • Pflanzenfaser aus dem Stängel der Flachspflanze
  • Hauptproduktion: China, Russland, Weißrussland
  • sehr geringe Elastizität, sehr stark knitternd
  • gröbere Faserbündel
  • Ökologischer Aspekt: heimische Naturfaser, benötigt wenig Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Wasserverbrauch deutlich geringer als bei Baumwolle, biologisch abbaubar

Wolle

  • Tierfaser aus der Wolle der Schafe
  • Hauptproduktion: Australien, China, Neuseeland
  • gute Elastizität der Fasern (knittert nicht leicht) (Gefahr der Verfomung nach der Wäsche)
  • grobe bis feine Fasern
  • Ökologischer Aspekt: Tier wird nicht getötet, jedoch auf “mulesingfrei” achten (in Neuseeland z.B. verboten), hoher Wasserverbrauch in einigen Haltungsgebieten wie Australien, bei traditioneller Schafhaltung geringer Wasserverbrauch, biologisch abbaubar

Seide

  • Tierfaser aus dem Kokon des Maulbeerspinners. Bei der Gewinnung der Fäden aus dem Kokon werden die im Kokon befindlichen Raupen getötet, und der ca. 3000 m lange Faden abgewickelt.
  • Hauptproduktion: China, Brasilien, Indien
  • hohe Elastizität, knitterarm
  • sehr feine Fasern
  • Ökologischer Aspekt: Tötung der Raupen bei Produktion, Enormer Futterverbrauch für geringe Menge an Stoff (Pestizide, Wasserverbrauch), biologisch abbaubar

Viskose/Modal/Lyocell

  • aus Holz hergestellte Chemiefasern
  • Unterschied zwischen Viskose und Modal etwas anders in der Herstellung, wobei Modal eine höhere Festigkeit als Viskose erhält, die Spinnmasse wird bei Lyocell durch Lösemittelverfahren hergestellt
  • geringe Elastizität und knittert leicht
  • sehr variable Feinheit der Fasern, je nach Gebrauch
  • Ökologischer Aspekt: basiert auf nachwachsedem Rohstoff, kein Erdöl für die Herstellung verwendet, Pestizide werden kaum verwendet, Verfahren benötigt jedoch viel Energie, große Mengen an Chemikalien, biologisch abbaubar, Modal/Tencel/Lyocell häufig aus nachhaltigerer Fortstwirtschaft

Polyester

  • reine Chemiefaser aus fossilen Rohstoffen
  • knittert nicht so leicht
  • ökologischer Aspekt: nicht biologisch abbaubar, Fasern können bei Gebrauch und Waschvorgang in Umwelt gelangen (Mikroplastik), basiert auf Erdöl

Elasthan

  • Aus Polyurethan hergestellte Chemiefaser
  • sehr hohe Dehnung und Formbeständigkeit
  • als Beimischung zu anderen Fasern
  • ökologischer Aspekt: aus Erdöl hergestellt, hoher Energieaufwand, Mikroplastik durch Abnutzung, nicht biologisch abbaubar

Fasermischungen

Durch Mischungen verschiedener Fasern können die günstigen Eigenschaften der einzelnen Fasern addiert werden, wie zum Beispiel das Hinzufügen von Elasthan für mehr Dehnbarkeit und Formstabilität. Ein Nachtteil von Fasermischungen ist, dass sie schlecht recyclebar sind und bei der Beimischung von Kunstfasern auch nicht mehr biologisch abbaubar sind.

Hat euch der heutige Beitrag gefallen? Wenn ja, dann schreibt doch einmal in die Kommentare, ob ihr etwas Neues gelernt habt, oder noch Fragen zum Thema habt. Und ich bin ebenfalls neugierig, ob euch ein weiterer Beitrag zu den verschiedenen Herstellungsprozessen, also wie z.B. den Unterschied zwischen Jersey und Interlock, oder die verschiedenen Webwaren interessieren würde.

Wer sich noch näher mit der Materie befassen will, dem empfehle ich das Buch “Fachwissen Bekleidung” vom Europa-Lehrmittel Verlag.

Quellen:

  • Eberle, H., Gonser, E., Hermeling, H., Hornberger, M., Kilgus, R., Kupke, R., . . . Ring, W. (2013). Fachwissen Bekleidung (10. Aufl.). Haan-Gruiten, Deutschland: Europa-Lehrmittel.
  • https://pixabay.com/de/ [16.10.2021]
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Viskosefaser [16.10.2021]
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Faser [16.10.2021]

3 Kommentare

  1. Wenn ich was finde über Tencel/Lyocell (meist wird gar keine Baumart angegeben) ist Eukalyptus als Hauptbaumart genannt, nur wenige nutzen Eiche oder Birke. Und du schriebst, das Material kommt aus nachhaltiger Forstwirtschaft, daher brachte ich meine Bedenken zu Eukalyptus ein. Viskose und Modal ist aus Buchenholz, kann aber auch aus Eukalyptus hergestellt werden.
    LG

  2. Hallo Sophie, sehr spannend, danke. Verwirrend finde ich jedoch, dass nur bei Baumwolle als ökologischer Aspekt weite Transportwege aufgeführt sind, jedoch alle Herkunftsländer (bis auf Zellulose, dort sind keine genannt) weit weg sind.

    Und bei Stoff aus Eukalyptus bin ich selbst vorsichtig es nachhaltige Forstwirtschaft zu nennen, wenn der Baum außerhalb von Australien angebaut wird. Sie benötigen enorm viel Wasser, den sie sich aus dem Boden holen und sie werden in regenreicheren Gebieten angebaut. Sie produzieren selbst Herbizide und Pestizide, daher braucht man da nichts chemisches mehr sprühen, allerdings sind diese Wälder auch mehr oder weniger Wüsten, da dort wirklich nur Eukalyptus wächst. Gerade in Spanien (Galicien) wurden alte, ökologisch wertvolle Eichenwälder in Eukalyptusplantagen umgewandelt – nicht sehr nachhaltig.

    LG, Ina

    • Hallo Ina, über Eukalyptus habe ich gar nichts geschrieben. Meines Wissens wird für Zellulose hauptsächlich Buchenholz verwendet. Und ja auch bei anderen Fasern sind Transportwege oft sehr lang. Man sollte daher, wenn möglich darauf achten, Rohstoffe aus europäischer Produktion hier in Deutschland zu verwenden.

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